Tag 2 – Ja, wo laufen sie denn?

„Und, wo bist du jetzt? In Salas?“

Nein.

„Oh, dann hast du es bis Bodenaya geschafft?“

Ja.

„Cool, und da schläfst du dann heute?“

Nein.

„Wie, nein?“

„War die Herberge etwa schon voll?“

Ja.

„Oh neiiiin. Dann musstest du weiter?“

Ja.

„Weit?“

Nein.

„Google sagt 1,5 Kilometer. Kommt das hin?“

Ja.

„Dann hast du heute also über 30 Kilometer geschafft? Mit den beiden Anstiegen?“

Ja.

„Wow, da kannst du stolz auf dich sein. Und jetzt bist du sicher erschöpft?“

Ja.

„Ok, soll ich dich besser in Ruhe lassen.“

Ja.

„Na gut. Dann bis morgen.“

Vielleicht.

„Vielleicht? Ach ja, morgen ist ja Sonntag und da gibt es diese Tradition.“

Genau.

„Ok, dann spätestens bis übermorgen.“

Mhm.

Tag 1 – Vorgeschmack

Die erste Etappe ist geschafft. In erstaunlich kurzer Zeit habe ich den Weg von Oviedo nach Grado (manch gelbes Büchlein munkelt, es wären 25, 5 Kilometer) zurückgelegt, sodass ich 13:30, also eine halbe Stunde vor der offiziellen Öffnung der Herberge ebendort eintraf. Da in Spanien aber jegliche Zeitangaben als grobe Richtlinien zu interpretieren sind, hatte ich das Glück, trotzdem schon eingelassen zu werden. Als Begrüßung gab’s gleich noch ein kühles Zitronenwasser.

Bereits heute hat der Camino Primitivo gezeigt, dass er der Camino Primitivo ist. Die wenigen (aber meiner Ansicht nach durchaus intensiven) Anstiege haben geschafft, mich an meine körperlichen Grenzen zu bringen. Gut, ich hätte natürlich auch ein geringeres Tempo anschlagen oder mehr Pausen machen können, zugegeben. Aber sich einer Herausforderung nicht zu stellen, ist nicht so mein Ding.

Morgen aber, ja morgen, hach, dieses morgen … Es wird mir etwas bange, wenn ich mir die morgige Etappe vor Augen führe. Schon auf den ersten sechs Kilometern geht es mehr oder weniger konstant bergauf, wo ich mich dann zirka 300 Meter höher befinden werde als am Morgen. Und danach geht es sogar noch steiler wieder bergab. Zwischendrin steigt der Weg immer wieder etwas an, und auf den letzten acht Kilometern führt der Weg dann noch mal knapp 400 Meter nach oben. 29,7 Kilometer und insgesamt wohl über 1000 Meter Anstieg – ich würde nicht enttäuscht sein, falls mir meine Beine bereits nach 22 Kilometern sagen sollten: „Du kannst gern weitergehen, aber ohne uns. Die sieben Kilometer und 400 Meter nach oben kannst du gern kriechen.“

Jetzt gerade merke ich bereits in den Knochen, was hinter mir liegt. Daher dürft ihr gespannt sein, wohin mich morgen der Camino letztlich führt – ich bin es jedenfalls.

Tag 0 – Ankunft

Ich bin gesund und munter in Oviedo angekommen, wenn auch etwas später als erhofft. Meine Wanderschuhe trug ich dabei etwa 50 Stunden ununterbrochen, was beim Ablegen zu einem olfaktorischen Hochgenuss führte, der ungefähr dem entspricht, was man sich darunter auch vorstellt. Umso besser geht es mir nun nach der Dusche.

Von Oviedo selbst werde ich mir wohl nicht mehr viel anschauen können; heute ist es schon zu spät, und morgen möchte ich in aller Frühe loswandern. Immer harschen Schrittes voran, solange der Ehrgeiz nicht verflogen ist!

Was ich bisher schon lernen durfte: Offensichtlich scheine ich auf Mitmenschen einen sehr vertrauenswürdigen Eindruck zu machen. Ich wurde bereits einige Male in verschiedenen Sprachen um informative Hilfe gebeten; das erste Mal bereits in Berlin am Busbahnhof. Ob das jetzt an meinem weisen Blick, an meiner anmutigen Gestalt oder der über alle Maßen Selbstvertrauen ausstrahlenden Körpersprache liegt, sei dahingestellt … ähem.

Außerdem konnte ich schon vor dem eigentlichen Camino ein paar sehr interessante Gespräche führen, habe etwa vom Spiel Djambi (auch als Machiavellis Schach bekannt) gehört, welches ich gern nach meiner Reise ausprobieren würde. Und sogar beschenkt wurde ich bereits. So kann’s gern weitergehen.

Ansonsten war bei mir bisher Schmalhans Küchenmeister. Außer einem Käsebaguette in Paris und einem Bocadillo in Bilbao sowie diversen Tassen Kaffee habe ich bisher nur von Mitgebrachtem gelebt, was sich auf zwölf Müsliriegel und zirka 300 Gramm Mandelkerne beläuft – und davon ist sogar noch etwas über. Aber jetzt geht ja das (halbwegs) geregelte Leben los. Einen Ort für das morgige Frühstück habe ich mir bereits ausgeguckt. Insofern: Bon appetit und bon camino!

Tag -1 – Nachtrag

Nun möchte ich doch den Eindruck von Paris etwas relativieren. Ein Stückchen weiter sah das Bild schon ganz anders aus. Als Musikenthusiast ließ ich es mir natürlich nicht nehmen, das Grab von Chopin auf Père Lachaise zu besuchen.

Auch im Parc Belleville ließ sich die Zeit ganz gut rumbringen. Und ein nettes Café fand sich ebenfalls noch. Insofern hat sich der Kurzaufenthalt doch gelohnt.

Und nun auf nach Bilbao und Oviedo!

Tag -1 – Reise

Gestern Abend bin ich in Berlin gestartet. Kurz vor Mitternacht gab’s die erste Rast nahe Hannover. Um mir die Beine zu vertreten lief ich etwas abseits. Ein maximalpikmentierter Mitbürger (ja, ein Deutscher) hatte die gleiche Idee. Wenig später kam eine Polizeistreife vorbei und hielt. Er wurde kontrolliert, ich nicht. #rassismusindeutschland

Konnte ich im Bus schlafen? Kaum. Hin und wieder bin ich wohl eingenickt, schnell gab es aber genügend Gründe wieder aufzuwachen: eine scharfe Kurve, lautes Gerede, ein weinendes Baby, etc. Aber versteht mich nicht falsch: Ich beschwere mich nicht darüber, ich versuche nur, möglichst wertneutral zu berichten. Die Toilette war in einem angemessen sauberen Zustand.

Eigentlich hätte ich in Brüssel sechs Stunden Aufenthalt haben sollen. Aber irgendwie ist es mir – auch noch völlig unwissentlich – gelungen, einen Bus früher zu nehmen, ohne dass es jemanden gestört hätte. Vielleicht wäre ich ja ein ganz passabler Spion geworden. Lieber BND, ich bin offen für Anfragen.

Nun habe ich statt der geplanten sechs zwölf Stunden Aufenthalt in Paris. Mein erster Eindruck (und den vermag ich nicht mehr wertneutral wiederzugeben): Es ist hier ziemlich abgefuckt. Alles wirkt irgendwie unsauber, mitunter müffelt es, zahlreiche Geschäfte sind geschlossen (nicht nur gerade, sondern gänzlich) und die, die es nicht sind, sehen zumindest so aus. Vielleicht liegt es nur am Gebiet, vielleicht befinde ich mich hier im Pariser Friedrichshain, wer weiß. Außerdem ist das Essen hier ziemlich teuer, was ich aber erwartet hatte. Bezeichnenderweise verfasse ich diese Zeilen auch gerade unter einer Brücke.

Paris war nie weit oben auf meiner Liste der Wunschreiseziele. Und so bin ich dann auch froh, wenn ich mich in einigen Stunden auf dem Weg zur wunderschönen Stadt Bilbao befinden werde. Von dort geht’s dann gleich weiter nach Oviedo, und am Freitag wird endlich gewandert. Ick freu mia.

Es regnet, es regnet, die Erde wird nass

Oh weh, ich Lausbub, habe ich doch glatt schon in der Überschrift eine Lüge fabriziert. Wenn überhaupt, dann regnet es hier in Berlin derzeit nur Schweißtropfen vom eigenen Körper – auch ohne sich sportlich zu betätigen. Die aktuelle Affenhitze als Indiz für den Klimawandel zu missbrauchen, wäre sicher im Trend, aber wissenschaftlich kaum haltbar, wenn man sich den Unterschied zwischen „Klima“ und „Wetter“ vergegenwärtigt. Dass die Häufigkeit dafür in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist, kann allerdings sehr wohl als ein Symptom des Klimawandels angesehen werden. Darum: viel Wasser trinken!

Dass ich auf meiner letztjährigen Reise mit dem kühlen Nass des Himmels zu kämpfen hatte und nicht immer mit den mir zur Verfügung stehenden Gegenmaßnahmen zufrieden war, kann hier und hier noch einmal nachgelesen werden. Daher besteht hier Handlungsbedarf, bzw. bestand. Denn auch ohne Händler zu sein, habe ich diesbezüglich bereits gehandelt und eine Alternative erworben:

Regenponcho

„Na toll, noch ein Regenponcho, wo ist da jetzt der Unterschied?“

Deren gibt es mehrere. Zum einen ist dieser Poncho auch tatsächlich dafür ausgelegt, einen Rucksack meiner Größe mitzubeherbergen. Weiterhin wird er einfach übergeworfen und muss nicht, wie mein letztjähriges Exemplar, an den Seiten zugeknöpft werden, kann also nicht wieder aufgehen. Und schließlich ist die Kordel zum Zuschnüren der Kapuze deutlich besser gesichert. Im letzten Jahr ist da die Naht aufgegangen, sodass mir zunächst die Schnur im Gesicht hing, später die Kapuze einfach nicht mehr zugeschnürt werden konnte.

Soweit in der Theorie, der Praxistest folgt in Spanien – hoffentlich aber nicht so häufig.

Sometimes change a not winning team

Oh, was bin ich vergesslich, gedankenschusselig, zerstreut. Da habe ich bei der Aufzählung der sich dem kontinuierlich wandelnden Wesen der Welt entziehenden Utensilien doch glatt einige vergessen. Hattu Kopp wie Sieb, muttu aufschreiben. Ja, ja, werde ich machen. Aber dazu später noch. Widmen wir uns zunächst dem Neuen.

Völlig aus meinem Packsortiment habe ich jegliche Kleidung aus reiner Baumwolle verbannt. Waren beim letzten Mal bereits Hemden, Hosen, Socken und Jacke aus synthetischem Material, werden es diesmal zusätzlich auch eine Fleecejacke (als Pulloversurrogat) und die Unterwäsche sein. Warum? Nun, nach dem Waschen war zwischen der synthetischen und der Baumwollkleidung ein signifikanter Unterschied in der Trocknungszeit festzustellen – manchmal durchaus ein entscheidender. Dem ist nun Abhilfe geschaffen.

Fleecejacke MH520

Die Fleecejacke MH520 von Quechua besteht zu 100 % aus Recyclingpolyester, was sie nicht nur schnelltrocknend und elastisch, sondern auch nachhaltig macht. Mit 361 Gramm ist sie weiterhin ein Leichtgewicht und imponiert durch ihre Atmungsaktivität.

Ich gehe nicht davon aus, dass ich in Spanien häufig auf sie angewiesen sein werde. Wenn es aber auch nur einmal vorkäme, hätte sich ihre Präsenz bereits gelohnt. Mehr dazu, wenn es soweit ist.

Sollte noch irgendwen interessieren, welche Unterwäsche ich mir zugelegt habe, möge das bitte in den Kommentaren angemerkt werden. (Und auch auf den Grund, weshalb ein solches Interesse besteht, bin ich neugierig.) Ansonsten belasse ich es einfach bei der reinen Erwähnung. Aus Fairnessgründen erwähne ich sie als Ausgleich für die mangelnde Zurschaustellung einfach etwas häufiger: Unterwäsche, Unterwäsche, Unterwäsche, Unterwäsche, Unterwäsche, Unterwäsche, Unterwäsche. Damit wäre der Gerechtigkeit Genüge getan. Auf zu den nächsten Riesen, treue Rosinante!

Test, Test, 1, 2, 3

Am vergangenen Sonntag war ich wandern – zum einen als Testlauf, zum anderen, um die wirklich sehr ansehnliche Natur ganz in der Region zu begutachten. Diesmal ging es ins Briesetal, etwas nördlich von Berlin. Vom S-Bahnhof Birkenwerder aus wanderten wir einen 14 Kilometer langen Rundweg entlang der Briese (das ist ein kleiner Nebenfluss der Havel).

Anfangs ging es über einen Steg durch mooriges Gebiet.

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Kurz darauf ermöglichte der Briesesee sogar Strandurlaub im Naherholungsgebiet.

img_20190825_1210285813132324269828047.jpgDass auch in dieser Region Stürme gewütet haben müssen, zeigte sich daran, dass hin und wieder der Weg versperrt war.

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Und auch richtig große Bäume waren davon in Mitleidenschaft gezogen.

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Um diesen Wanderweg auch familienfreundlich zu gestalten, standen in überschaubaren Abständen Hütten und/oder Bänke bereit, die Gelegenheit für eine Rast boten.

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Hin und wieder habe ich auch mal einen Farn gelassen.

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Obwohl ein Fluss, war mir manchmal nicht klar, ob es sich hier um ein stehendes oder ein fließendes Gewässer handelte. Mitunter erinnerte die Grütze an Ghostbusters.

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Dies bot natürlich der hiesigen Fauna ein erhebliches Futterreservoire.

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Und natürlich freute sich ein Brandenburger wie ich auch über Märkische Heide und Märkischen Sand.

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Selbstverständlich darf am Ende der Reise ein typisches Ritual nicht fehlen.

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Fazit: Die Strecke ist durchaus sehr zu empfehlen. Hier gibt’s die genaue Route. Die Vielfältigkeit von Flora und Fauna laden zum Erkunden ein.

„Fauna? Welche Fauna?“

Sehr gute Frage. Die paar Blindschleichen, die mir auf dem Weg begegneten, waren leider schneller als ich mit meiner Fotomaschine. Außerdem konnte man noch Libellen in verschiedenen Farben bewundern.

Zu Testzwecken hatte ich neben meinem voluminösen Rucksack auch noch die Ukulele, in einer Tasche um Hals und Schulter gehängt, dabei. Für längere Reisen sollte ich mir allerdings etwas anderes einfallen lassen, da auf Dauer mit Schürfwunden zu rechnen ist. Irgendwie muss die Tasche am Rucksack befestigt werden, aber das bekomme ich schon noch hin.

Never change a winning team

Wie bereits erwähnt, werde ich viele Dinge wiederbenutzen. Hier ein kurzer Abriss aller Dinge, die sich bewährt haben und mich auch in diesem Jahr begleiten werden samt Link zum Blogartikel der letztjährigen Vorbereitung:

„Gibt es dann überhaupt noch etwas, was sich ändert?“

Aber natürlich. Von meiner Begleiterin (derzeit scheint es die Ukulele zu werden) habe ich bereits berichtet. Über einiges Weitere werde ich euch noch in Kenntnis setzen. Bleibt bis dahin geduldig, entspannt euch, meditiert meinetwegen, kocht etwas Leckeres, geht spazieren und/oder wandern, pfeift vor euch hin und macht euch eine schöne Zeit!

 

Wer darf mit?

Wer im letzten Jahr meinen Blog aufmerksam verfolgt hat und mit einem guten Gedächtnis ausgestattet ist, dürfte wissen, dass ich bei meinem ersten Weg genau zwei Dinge vermisst habe: Fußball zu spielen und Musik zu machen. Ein Surrogat zum Kicken lässt sich verhältnismäßig einfach auftreiben. Um auch den anderen Mangel zu beseitigen, möchte ich diesmal einem Musikinstrument die Gegend zeigen. Allerdings habe ich noch nicht gewählt, welches es sein wird. Mein Klavier kommt aus augenscheinlichen Gründen nicht in Frage. Danach gibt es drei Anwärter, die sich noch Hoffnungen machen. Vielleicht könnt ihr mir die Entscheidung erleichtern.

Kandidat Nr. 1: die Ukulele

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Kandidat Nr. 2: die Melodica

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Kandidat Nr. 3: die Ocarina

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„Sehr witzig. Das sind Musikinstrumente, keine modischen Accessoires, und du zeigst uns nur Fotos. Wie soll man da entscheiden?“

Ja ja, ihr habt ja recht. Daher hier noch drei Audiosamples, von mir höchstselbst intoniert:

Wer soll es also werden? Schreibt es in die Kommentare!